Neue Veröffentlichung: Lachenmann/Schwiering, NZV 2014, 291 zu Dashcams

Neu erschienen ist der Artikel „Betrieb von Videokameras in PKW Datenschutzrechtliche (Un-)Zulässigkeit des Betriebs von On-Board-Kameras in PKW“ in der  NZV 2014, 291 zur Unzulässigkeit von Dashcams und Vorausstezungen der Zulässigkeit weiterer On-Board-Kameras in Bussen, Bahnen und Taxen. Einen Überblick über die dort dargestellte Rechtslage findet sich im Blog der Kanzlei Lachenmann.

Verfasst mit RA Sebastian Schwiering von Abedin & Schwiering in Aachen.

Fundstelle: Lachenmann/Schwiering, NZV 2014, 291.

Anmerkung für Kollegen: Der NZV-Beitrag ist über Beck Online auch für  Abonnenten der Module Multimedia-Recht und Datenschutzrecht abrufbar.

Weiterlesen

Opern-Kritik: Die Meistersinger von Nürnberg, Premiere in Karlsruhe am 27.4.2014

Opern-Kritik: Die Meistersinger von Nürnberg, Premiere in Karlsruhe am 27.4.2014

Ich war inzwischen schon länger nicht mehr in der Karlsruher Oper – der Schock über den Lohengrin-Flop saß wohl zu tief. Die Meistersinger-Premiere aber konnte man sich natürlich nicht entgehen lassen. Und was für ein Triumph wurde das! Eine dieser Sternstunden, die man nur selten erlebt. Aus der perfekten Verbindung von Musik und Szene ergab sich eins dieser Gesamtkunstwerke, wie sie den besonderen Zauber der Liveaufführung ausmachen, aber nur selten zu erleben sind.

Die Aufführung überzeugte dabei mit einem hochkarätigen Sängerensemble, angeführt von Renatus Meszar als nie ermüdender und mitreißender Sachs, der trotz etwas trockener Stimme zum sängerischen Zentrum der Aufführung wurde, Armin Kolarczyk als ebenso mitreißender und präsenter Beckmesser, Guido Jentjens als stimmgewaltiger Pogner und Eleazar Rodriguez als stimmschöner, junger, textverständlicher und präsenter David. Überzeugen konnte auch Daniel Kirch als Stolzing, auch wenn seine Stimme in den Höhen etwas spröde blieb und er beim Preislied etwas schwächelte, insgesamt doch ausgezeichnet. Nicht ganz mithalten konnten die Damen, Rachel Nicholls als Eva etwas angestrengt, vor allem in den Höhen teils etwa schrill. Aber die sang sich zunehmend frei und sang so einen durchaus achtbaren dritten Aufzug. Dass auch Stefanie Schaefer als Lene wenig präsent blieb fiel aber kaum ins Gewicht.

Wenn man einen Schwachpunkt suchen müsste, am ehestens noch das Dirigat des wild rumfuchtelnden GMD Justin Brown, der gehetzt über viele Schönheiten und Details der Partitur hinwegdirigierte und sich eher aufs Krachen konzentrierte. Dennoch war es nicht zu laut, die Sänger wurden kaum überdeckt, die Einsätze stimmten und er sorgte für einen Zusammenhalt zwischen Bühne und Graben und verband alles zu einem Großen. Also Kritik auf hohem Niveau. Überzeugen konnte auch der stimmschöne Chor, obwohl er akustisch nicht immer einfach positioniert war.

Dass diese Aufführung eine solche Sensation wurde, ist neben dem beeindruckenden musikalischen Niveau insbesondere der grandiosen Inszenierung von Tobias Kratzer zu verdanken. Eine solche detailreiche, genaue, durchaus partiturnahe, tiefgründige, witzige und spannende Inszenierung der Meistersinger habe ich bislang nur von Homoki an der KOB gesehen. Kratzer schafft es bereits innerhalb der ersten Minute nach dem Heben des Vorhangs, eine unglaubliche Spannung und sprühenden Witz zu versprühen, dass man sofort in den Bann gezogen wird – und hält dies durchgehend bis zum Schluss, an dem sich der Bogen zum Beginn schließt (wie, sei nicht verraten).

Der Abendvorhang zeigt bereits, wohin die Reise geht: Die Collage von Aufführungsplakaten und CD-Covern der Meistersinger von Salzburg 1937 bis zu Katharinas Bayreuther Inszenierung spannt den Bogen von Kunstdiskurs und Rezeptionsgeschichte. So finden wir uns beim Choral denn auch in einer von Beckmesser geleiteten Chorprobe, unter den gestrengen Augen einer Lorbeer-bekränzten Büste des Meisters, der Beckmesser immer wieder huldigen wird und die bis zum Schluss in die Inszenierung eingebunden bleibt. Das (sehr wandelbare) Einheitsbühnenbild besteht aus drei Kammern, dem großen Hauptraum und zwei Nebenräumen, in denen einerseits an der Kaffeemaschine die Meister plaudern oder Sachs und Eva schäkern können, andererseits die Lehrbuben die Sitzung abwarten müssen und Stolzing den Saal betreten kann, um so Eva von der Probe abzuhalten und dabei alle Teilnehmer zu stören.

Der zweite Aufzug zeigt dank der Drehbühne eine Zeitreise durch gleich drei Bühnenbilder: Butzenscheibenromantik der Uraufführung (Szenenapplaus), Reduzierung auf eine schräge Bühne mit Flieder wie bei Wieland Wagner – und einen hässlichen Betonhinterhof mit „Mister Minit“-Schumacher – Schlüsseldienst usw. als Schusterstube, (gut frequentierte) Dönerbude und Mülltonnen, den Castorf-Ring ironisierend. Stolzing steht beeindruckt und ratlos vor dieser Rezeptionsgeschichte – irgendwie war alles schon zu sehen, was soll man noch neu machen? Die Prügelszene ist denn auch folgerichtig ein Kampf von „Staubis“ gegen „Moderne“. Der dritte Aufzug zeigt zu Beginn das Innere der Schusterstube mit Flügel und Wagner-Büste, sodann umgebaut zu einer Art Konzertsaal, die Meistersinger im Hauptraum, der Pöbel muss in den beiden Seitenräumen bleiben und dort die Aufführung mittels HD-Video verfolgen – Kino aus der Konserve statt Liveerlebnis. Bei seinem Preislied bricht Stolzing diese Trennung auf, öffnet die Türen und verbindet so Volk und Meister.

Die Inszenierung überzeugt durch eine ausgefeilte, detailreiche Personenregie, die bis ins kleinste durchdacht und logisch ist. Durch die Einbindung in den großen Kontext der Frage von moderner Kunst und ihrer Umsetzung in unserer Welt zwischen Erstarrung und neu zu Schaffendem entfacht Kratzer so einen Furor, der ein intensives Erleben der Oper ermöglicht. Trotz der durchaus modernen Inszenierung wird die Partitur dabei sehr genau gelesen und betont, sei es die detailreiche Zeichnung der verschiedenen Meistersinger (vom kiffenden Hippie, der Stolzings Nicht-Konformität durchaus goutiert, hin zum arroganten Spießer mit Schoßhund – natürlich der Meister, der sich besonders vehement gegen die Öffnung zum Volke hin ausspricht), die Betonung einzelner schöner Kleinigkeiten der Partitur (z.B. wird Sachsens/Wagners Witz von der Morgentraumdeutweise als „Nottaufe“ deutlich gemacht, indem sich Sachs die Hand zu Pistole geformt an die Schläfe hält), teils ironischer Umdeutung des Textes (Aus den „Blumen und Bänder“, die Sachs zu Beginn des 3. Aufzuges sieht, werden Davids blaues Auge und sein Verband am Arm), augenzwinkernder Kommentierung des Werks durch den Regisseur (z.B. bei Davids Aufzählung der zu lernenden Weisen im 1. Aufzug, zweifelsfrei eine Länge im Werk, gähnt Stolzing deutlich – und flirtet lieber mit den Mädels unter den Lehrbuben), und witziger Gegenläufigkeit zum Text (wenn der Chor vor Stolzings Preislied singt „Ein guter Zeuge, stolz und kühn!“, fuchtelt Stolzing gerade wie wild vor der Kamera rum und verbietet sich sehr unsouverän, aufgenommen zu werden). Dies nur ein minimaler Ausschnitt aus dem Feuerwerk der Personenregie.

Dies alles wird eingebunden in die großen, bewegenden Fragen der Oper. So wird der Kampf Sachsens mit sich selbst, ob er denn nun doch um Eva werben soll, Gefühl gegen Vernunft, hinreißend dargestellt. Das Ringen mit sich selbst wird ihm umso schwerer gemacht, als Eva in der Schusterstube nicht aufgibt (sie weiß ja noch nicht, dass Beckmesser das Lied klaute und sich nun alles zum Guten wenden wird!) und sich immer wieder an Sachs wirft, auch nachdem er sie fast schon gewalttätig zu Stolzing hindrückt. So leidet und wütet Sachs auch noch während des Aufzugs der Zünfte, der uns völlig verweigert wird (der Chor steht im Zuschauerraum).

Beckmesser ist nicht der Wagner-Gegner der Hanslick-Karikatur, sondern ein Klischee-Wagnerianer, der die Büste immer wieder anbetet und offensichtlich in Erstarrung versunken ist (ein Schelm, wer denkt, sein gestreifter, über den Rücken gelegter Pullover sei eine Anspielung auf einen aktuellen Dirigenten in Bayreuth, der ständig Wagner auf irgendwelche Sockel stellen möchte). So wird sein Auftritt in der Schusterstube zu einer der besten Szenen des Abends: Wenn Beckmesser vor der Büste darnieder sinkt und sie anbetet, öffnet sich die Türe – und nebelumrankt tritt der verstaubte Meister persönlich ein. Freilich küsst ihm Beckmesser sofort die Füße, betet ihn an, schmiegt sich an ihn – Wagner stößt ihn erst verächtlich weg, dann versohlt er ihm ordentlich den Hintern. Im Gehen projiziert der Meister noch ein „Kinder, schafft Neues!“ an die Wand (Szenenapplaus). Beckmesser kapiert es natürlich nicht, er betet auch weiterhin die Asche an, anstatt das Feuer aufrecht zu erhalten. Trotz vielfachen Gelächters gibt es dann zum Schluss für mich erstaunlich viele Buhs für das Regieteam – vermutlich hat man im Gegensatz zu Beckmesser durchaus verstanden, dass einem hier durchaus ans Bein ge… äh, ordentlich der Hintern versohlt wird. Es gibt nur wenige Aufführungen, unbedingt hinfahren!!!

Weiterlesen

Opern-Kritik: Lohengrin, Wiener Staatsoper (Homoki/Franck)

Opern-Kritik: Lohengrin, Wiener Staatsoper (Homoki/Franck)

Im Treppenaufgang auf dem Weg zum Platz spricht mich eine neben mir laufende Frau mit strahlendem Gesicht an: „Heute wird es ein toller Abend! Die Premiere war nicht so gelungen, aber heute Abend wird es toll – ich spüre es!“. Über soviel positive Energie erfreut stieg die Spannung – und wurde nicht enttäuscht. Vielleicht hat die Dame ihre Energie ja tatsächlich auf die Künstler übertragen. So überzeugte die 2. Lohengrin-Aufführung der neuen Serie mit hohem musikalischem Niveau und einer detailgenauen Inszenierung.

Homoki hat ja in weiten Kreisen den Titel des „Regietheaterverbrechers“ verliehen bekommen. Ich habe nie verstanden warum, immerhin modernisiert er nur behutsam und legt großen Wert auf genaues Partiturlesen und eine nachvollziehbare Erzählung der Geschichte. Der Lohengrin ist dabei sicherlich nicht der ganz große Wurf, sondern bleibt viel zu brav und zurückhaltend. Eine für Repertoire gut geeignete Inszenierung, von der man denken sollte, dass sie auch den Konservativen gefällt, da sie sich größtenteils auf die „bloße Erzählung der Geschichte“ beschränkt (soweit das möglich ist).

Dabei beginnt es noch mit einem großartigen ersten Aufzug, der sehr genau gearbeitet ist und dank behutsamer Bebilderung im Vorspiel die Geschichte erst richtig verständlich macht. Auch die Verlegung in eine ländliche Gegend in Bayern, Österreich oder Schweiz überzeugt, da so glaubhaft wird, dass das Volk so einfach sich von dem „Wunder“ blenden lässt. Die genaue und detailreiche Personenführung mit vielen den Text verdeutlichenden Kleinigkeiten macht den ersten Aufzug ungemein spannend. Besonders begeistern kann die Chorführung und das Auftreten König Heinrichs. Das ist ja meist eine sehr statische Partie, der König steht halt gewichtig da und singt bedeutungsschwanger – nicht so in Wien. Hier wird, angelehnt an die nachgewiesene Historie, der König gezeigt als einer, der einen fernen Winkel seines Reiches besucht, das Volk ersteinmal auf seine Seite bringen muss und um die Teilnahme an seinem Krieg noch werben muss. Telramund ist da ein echter Gegenspieler Heinrichs, der bis zu diesem Zeitpunkt einen großen Teil des Volkes hinter sich hat und gegen den König intrigiert. Insofern wird auch Elsa instrumentalisiert. Überhaupt schauspielert Günther Groissböck grandios und macht auch seine Zweifel an Elsas Schuld und seine Zurückhaltung der Verurteilung bewegend deutlich. Insgesamt ist das schlicht grandios gearbeitet.

Leider kann das Niveau nicht gehalten werden, in den beiden weiteren Aufzügen passiert nurnoch wenig neues, die Geschichte nimmt halt ihren Lauf. Insofern wundern auch die Aussagen „das Bühnenbild wird langweilig“ nicht – auch wenn es eher die Inszenierung als das Bühnenbild sein dürfte. So wird Elsa gezeichnet wie man sie halt kennt als das kleine, zurückhaltende Mädchen, statt als die selbstbestimmte und willensstarke Frau die sie ist. Auch das Thema Nationalismus wird durch die ländliche Umgebung zwar angedeutet, dann aber nicht weiter ausgeführt, obwohl sich das ja angeboten hätte (umso mehr wenn man es ohne den letzten Strich gespielt hätte oder „Führer“ statt „Schützer“ singt). Aber das ist Kritik auf hohem Niveau, es gibt durchgehend eine Personenführung und eine klare Linie, was ja schon mehr ist als viele Inszenierungen bieten.

Durchaus überzeugen kann Mikko Franck mit einem zupackenden und sängerfreundlichen Dirigat, auch wenn das Vorspiel wenig sphärisch gelingt und öfters Lautstärke und Effekt dominieren. Aber ebenso gibt es viele berührende Stellen und insgesamt eine packende Aufführung. Auch der Chor war schauspielerisch und musikalisch ausgezeichnet.

Sängerisch ist das Niveau ganz vorzüglich. Allen voran natürlich mit derzeit DEM Lohengrin schlechthin, Klaus Florian Vogt. Seine Stimme kann man mögen oder nicht – nicht leugnen kann man hingegen seine differenzierte und genaue Interpretation der Rolle und seine ständige, mühelose stimmliche Präsenz. Er begeistert zudem mit einer genauen Gestaltung der Rolle und vermittelt überzeugend, diese im Detail zu kennen. Sicherlich keine Holzhammerinterpretation, sondern eine zarte und dezente. Dem nicht nach steht Günther Groissböck, der zwar weniger Tiefe haben mag, als manch anderer großer Vorgänger, aber gerade dadurch der Rolle ein besonderes Etwas gibt. Völlig Textverständlich, detailreich ausgestaltend und interpretierend, stimmschön und den großen Bogen stets erkennen lassend ist dieser kluge Sänger ein echtes Erlebnis. Auch Wolfgang Koch begeistert mit einer großen stimmlichen Präsenz und mitreißenden Gestaltung – auch wenn er die Partitur doch eher etwas frei nimmt und öfters mit dem Holzhammer gestaltet. Ein beeindruckender, ungemein präsenter Telramund. Ebenfalls überzeugen konnte Detlef Roth als Heerrufer. Sicherlich hat er eine für die Partie ungewöhnlich (zu?) helle, fast schon tenorale, Stimme. Dennoch überzeugt auch er mit einer sehr genauen Interpretation und Gestaltung der Rolle ebenso wie mit großer Textverständlichkeit. Nicht mithalten können die Damen. Camilla Nylund klingt öfters angestrengt und etwas breiig, da wäre deutlich mehr drin. Auch Michaela Martens als Ortrud ist der Rolle nicht gewachsen, sie klingt etwas piepsig und zu angestrengt. Allerdings gibt es ja derzeit kaum jemanden, der die Rolle adäquat singen kann und insbesondere der Schluss gelingt ihr durchaus achtbar. Da sie auch ungemein präsent schauspielert, geht das insgesamt durchaus in Ordnung – die einzelnen Buhs waren jedenfalls völlig daneben. Insgesamt also eine sehr gelungene und runde Aufführung, deren Besuch absolut lohnte.

PS: Die Kritik bezieht sich auf die 2. Vorstellung der Serie vom 16.4.2014.

Weiterlesen