Das Liebesverbot, Opera Incognita, Sugar Mountain, München, Premiere 16.10.2021

Eines der schönsten Werke aus dem Genre der Opera Buffa stammt, was so manchen überraschen mag, von – Richard Wagner: Das Liebesverbot. Leider wird die Oper nur selten gespielt – umso erfreulicher ist es, dass sich nun die freie Münchener Theatergruppe Opera Incognita ihrer annahm, um sie an dem ungewöhnlichen Veranstaltungsort Sugar Montain zu ehren. Wagners Jugendwerk ist eine moderne Opera Buffa mit nur wenigen Rezitativen, vielen Anklängen an Gioacchino Rossini und (den leider noch seltener gespielten) Daniel-François-Esprit Auber – und zugleich vorausweisend auf Wagner Spätwerk. Vieles kommt dem geneigten Hörer musikalisch bekannt vor, natürlich vor allem das Motiv des »Dresdner Amen« in der Kloster-Szene, das uns später im »Tannhäuser« und im »Parsifal« prominent wiederbegegnet. Dirigent Ernst Bartmann und sein Orchester arbeiten die Bezüge deutlich heraus, z.B. die Vorbereitung des „Liebesduetts“ aus Tristan und Isolde oder die an Tannhäuser und Lohengrin erinnernden Chor-Tableaus der Gerichtsszene. So zeigt sich an dieser Aufführung, dass die Oper den Vergleich mit anderen humorvollen Werken nicht zu scheuen braucht und öfter auf die Spielpläne gesetzt werden sollte.

Ernst Bartmann findet mit dem (etwas kleinen und akustisch nicht optimal positionierten) Orchester den richtigen Schwung für das Werk, mit Verständnis für die Ironie, den Witz und die „Tradition“, also Wagners allzu offensichtliche Vorbilder, die spritzig eingebunden werden. Die Sänger*innen tragen mit Spielfreude, Verve und hohen stimmlichen Niveau zum Gelingen der Aufführung bei. Dass man den jungen Sänger*innen teils anhört, dass Deutsch nicht ihre Muttersprache ist, vergisst man schnell während der mitreißenden Aufführung. So begeistern vor allem Lyriel Benameur als Mariana mit ihrem glasklaren Sopran und sicheren Höhen und Ekatarina Isachenko als Spielmacherin Isabella mit Kraft und Stimmschönheit. Auch Karo Khachatryan (Luzio), Rodrigo Trosino (Claudio) und Robson Bueno Tavare (Friedrich) überzeugen mit Kraft und Spielfreude. Ebenso hervorzuheben sind Florian Dengler als exzellenter, fast schon zu souveräner Kauz, Brighella und Larissa Angelini als spritzige Dorella. Konstantin Riedl und Herfinnur Árnafjall als Antonio und Angelo runden das Ensemble ab. Auch der Chor trägt zum gelungenen Gesamtbild der Aufführung bei.

Szenisch ist die Aufführung ungemein dicht. Mit dem kleinen Ensemble nutzt Regisseur Andreas Wiedermann den ganzen Raum hervorragend, auch unter Einbeziehung des Zuschauerraums und der Bar, die wir Opernbesucher in der Pause nutzen und im zweiten Teil der verbotenerweise Karneval-feiernde Chor. Die Anleihen an das Heute der Pandemie sind humorvoll eingebunden (z.B. durch Slogans des Partyvolks wie „Fridays for Fasching“ oder „Frei-Heit/-Bier“) und thematisieren die derzeitige mangelnde politische Unterstützung für die Kultur ebenso wie den Egoismus vieler Maskenverweigerer. Vor allem überzeugt die Aufführung aber durch die genaue Personenführung. Exemplarisch sei die zentrale Szene zwischen Isabella und Statthalter Friedrich genannt, nicht nur in der eindringlichen Darstellung seines Versuchs, Isabella zu vergewaltigan, sondern auch in den Dialogen und bei Einbindung des Chors.

Die Aufführung von Opera Incognita, die Rahmen des internationalen Richard-Wagner-Kongresses stattfand, ist ein Highlight und ermöglicht den leichten Zugang zu dem Frühwerk. Die Veranstaltunghalle ist großartig und erinnert an das Kölner Staatenhaus, nur dass es in Letzterem wärmer ist. Die Chance, das Werk in einer der verbleidenden Aufführungen kennenzulernen, sollte sich der Fan der Opera Buffa ebenso wenig wie der echte Wagnerianer entgehen lassen.

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