Die Walküre, Bayreuther Festspiele 2022 (Premiere, 1.8.2022)

Der erste Abend des neuen „Rings“ nach dem gestrigen Vorabend ist vollbracht, die Walküre vorbei und der ganze Ring leider fast schon wieder vorbei. Das Highlight vorweg: im 3. Aufzug findet sich ein größerer Spiegel auf der Bühne, der es teilweise gestattete, in der Spiegelung dem Souffleur Lucio Golino zuzusehen. Es war bewegend, der detailgetreuen Unterstützung der Sänger:innen zuzusehen und das lautmalerische Mitdirigieren zu erleben.

Der Ring nimmt an Fahrt auf, was vor allem einer Reihe von exzellenten Sänger:innen zu verdanken ist. Im ersten Aufzug begeistern Georg Zeppenfeld als sonorer, klarer und bösartiger Hunding und Lise Davidsen als präsente Sieglinde, mit einer bombigen Mittellage, über die sie Tiefen und Höhen eindrücklich erreicht. Auch Klaus Florian Vogt kann begeistern, selbst wenn ihm die Partie eigentlich zu tief liegt und mancher große Bogen mit mehr Wucht zu wünschen wäre. Aber die Stimme hat in den letzten Jahren an Grundierung gewonnen und schöner kann man Siegmund eigentlich nicht singen. Dirigat und Orchester brauchen bis zum dritten Aufzug, um in Schwung zu kommen, das Kammerspiel des 1. Aufzugs gerät noch verwaschen und zu mild.

Auch im Weiteren wird auf hohem Niveau gesunden. Christa Mayer ist eine präsente Fricka, teils etwas metallisch, aber vor allem in den Höhen beeindruckend. Iréne Theorin als Brünnhilde ist stimmlich präsent mit großem Volumen, leider sehr textunverständlich und verwaschen klingend, eine großartige Sängerin, aber leider keine Idealbesetzung für die Brünnhilde. Tomasz Konieczny hat eine präsente Wucht, seine unangenehmen Vokalverfärbungen werden schnell besser. Leider verletzt er sich bei einem (vom Publikum als Regie-Gag vermuteten) Vorfall und muss nach dem 2. Aufzug abbrechen. Gute Besserung!! Im 3. Aufzug springt Michael Kupfer-Radecky als Wotan ein – und singt sich gleich in die Herzen des Publikums. Er singt einfach sensationell: eine Textklarheit und -verständlichkeit, wie man sie sonst nie hört (die mit seiner leichteren Stimme vielleicht nur dank der magischen Bayreuther Bretter möglich ist), zugleich lautmalerisch mit einer prägenden Rollengestaltung. Auch szenisch spielt er intensiv und macht den 3. Aufzug zu einem Highlight.

Szenisch häufen sich die Logik-Lücken. Der 1. Aufzug ist reichlich bieder und besteht vor allem aus dem Putzen des Sicherungskastens (Sieglinde schon schwanger, man denkt erst, von Hundig, was keinen Sinn ergeben würde, dann wird klar, dass Wotan der Vater sein muss, was nur wenig mehr Sinn hat). Im 2. Aufzug sind wir wieder in Walhalls Wohnzimmer (Freia hat Selbstmord begangen – da die Götter nun ihre Äpfel nicht mehr haben, müsste die Geschichte nun eigentlich zu Ende sein), in den großen Szenen Wotan-Fricka und Wotan-Brünnhilde interagieren die Protagonisten nicht miteinander, sondern mit dritten Personen auf der Bühne. Der Walkürenritt im 3. Aufzug ist wieder das aus dem Rheingold bekannte Chaos der zu eng und strukturlos platzierten Sänger:innen. Gegen Ende wird dann das Bühnenbild abgeräumt und Wotan steht allein auf der schwarzen, leeren Bühne im Lichtkegel – diese Minuten sind das Highlight des Abends, endlich kehrt etwas Ruhe ein und die Musik trägt uns zum Feuerzauber.

Heute ist nun der erste spielfreie Tag und damit Zeit, das Regie-Symposium in Haus Wahnfried zu besuchen.

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Ein Kommentar

  1. „Auch Klaus Florian Vogt kann begeistern, selbst wenn ihm die Partie eigentlich zu tief liegt…“
    Richtig, leider. Besonders schmerzlich hörbar in der Todesverkündigung. Die tiefen Töne erreicht er da nicht. Aber die Winterstürme sind große Klasse. Ich habe die Radioübertragung jetzt schon 3x angehört.
    Mit Irene Theorin werde ich aber gar nicht glücklich.