Das Rheingold, Bayreuther Festspiele 2022 (Premiere, 31.7.)

Was lange währt, wird endlich gut? Nachdem der neue „Ring“ 2020 corona-bedingt nicht aufgeführt werden konnte, ist es nun 2022 nach mehreren Ring-losen Jahren in Bayreuth endlich soweit und der Nachfolger des legendären Castorf-Rings erblickt das Licht der Welt. Das Licht der Welt erblicken auch zwei Kinder, die wir im Vorspiel in einer Videoprojektion sehen, die sich wohl schon im Mutterleib spinnefeind sind – Wotan und sein „Schatten“ (C. G. Jung) Alberich. Der Beginn einer großen spannenden Sage?

Die erste Szene beginnt in einem Pool mit Rheintöchtern und Kindern (toll gespielt von den Kinderstatisten!), in dem etwas geplanscht wird und Alberich dann das Rheingold (in Form eines Kindes) entwendet, anschließend finden wir uns in Wotans Walhall wieder, einer Villa mit Bewohnern im Stile von „House of Gucci“, garniert mit reichlich platter Kapitalismus-Kritik (Loge springt an Handy, die Götter lassen sich Schampus von Bediensteten kredenzen). Nibelheim ist eine Kinder-Aufzucht-Station, wohl in Anspielung auf eine Netflix-Serie (wie man anschließend von aktiveren Serien-Sehern erfahren kann), bevor es zurück in die Villa Walhall geht. Es werden verschiedene Symbole gezeigt, z. B. eine leuchtende Pyramide, die gegen Ende ein zentrales Utensil wird und der pädophil veranlagte Alberich scheint das Rheingold in Form des lebenden Kindes zu missbrauchen, verschiedene Mädchen werden als Humanmaterial herangezüchtet. Von anderen Zuschauern erfährt man nach der Aufführung, dass einzelne Kinder z. B. Hagen oder Brünnhilde sein sollen, ohne dass sich das aus der Szene heraus ergibt – und ohne, dass man ein besonderes Interesse für die Charaktere entwickeln würde.

Es passiert also zwar einerseits einiges auf der Bühne, andererseits passiert nichts. Die knappen 2,5 h ziehen sich wie Brei und das Interesse an den Figuren und ihren Handlungen schwindet denkbar schnell. Trotz aller Bedeutungshuberei bleiben die Charaktere auf der Bühne einem fremd, es wird keine Beziehung zwischen Publikum und Szene aufgebaut, so dass man schon ab der 2. Szene kein Interesse mehr daran hat, wie sich der Ring bis zur Götterdämmerung schließen wird. Die handwerklichen Mängel sind schwer in Worte zu fassen, da die Inszenierung zwar wohl durchdacht, dennoch denkbar dröge daherkommt. Beispielhaft sei genannt, dass bei Wotans „Lass ihn droh’n! Sahst du nicht Loge?“ plötzlich ein Diener auftritt, der von der Frage angesprochen wird und dann hektisch Loge sucht – vor der Frage haben wir ihn noch nicht gesehen, er taucht einfach auf, um von Wotan die Frage gestellt zu bekommen, ohne dass er vorher eingeführt worden wäre. Besonders anstrengend ist die 4. Szene, in der das beengte Bühnenbild der Villa mit Charakteren überfüllt ist, in der es völlig an Struktur fehlt, alle sitzen und stehen irgendwie auf- und umeinander, es bleibt unklar, wer mit wem warum (nicht) agiert – ein großes Chaos, schwer erträglich anzusehen. Problematisch ist zudem, dass viele zentrale Szenen, wie Wotans Auftritte in seinem Schlafzimmer oder die Befreiung Freias ganz links am Bühnenrand stattfinden und so für das links-sitzende Publikum nicht sichtbar sind.

Musikalisch ist die Aufführung leidlich gut. Cornelius Meister, relativ kurzfristig eingesprungen, wählt den sicheren Weg und arbeitet sich kapellmeisterlich durch die Partitur, mit nur einzelnen Höhepunkten, vor allem in den Zwischenspielen. Vielleicht wird die Musik auch von der Szene nach unten gezogen, aber wirklich packend wird es nicht. Gesungen wird auf hohem Niveau, allen voran die großartige Okka von der Damerau als Erda (sie müsste garnicht das Tablett zu Boden werfen, um das Publikum zu wecken, sie würde das auch stimmlich schaffen), Christa Mayer als intensive, vielschichtige Fricka und der sehr präsente und stimmmächtige Olafur Sigurdarson als Alberich. Daniel Kirch als Loge scheint zu baritonal und angestrengt, präsent sind auch Jens-Erik Aasbø und Wilhelm Schwinghammer als Fasolt und Fafner. Egils Silins gefällt als präsenter Wotan, heraus ragt Attilio Glaser als Froh.

Nur mäßig froh gestimmt sind wir nun also auf die heutige Walküre gespannt.

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